Wednesday, August 23, 2006

Bei den Iban im Langhaus

Nach soviel Natur in Malaysia, nach Dschungeltreks, Tierbeobachtung, Flussfahrten und fantastischen Tauchgaengen, beschlossen wir nun endlich besser kennenzulernen, was auf Borneo bisher zu kurz gekommen war - die Menschen. Also buchten wir einen Aufenthalt in einem traditionellen Iban-Langhaus, mit Bus und Boot ca. 5 Stunden von Kuching entfernt, dicht an der indonesischen Grenze. Nun denkt ihr wahrscheinlich an gefaehrliche Kopfjaeger, mysterioesen Dschungel, Jagd mit Blasrohren und langjaehrige Stammeskriege... naja, dem war auch so vor vielen Jahrzehnten, doch das Leben im Langhaus hat sich der Zeit angepasst. Es gibt Elektrizitaet, Telefon und europaeische Toiletten. Man traegt Adidas-Shirts, ist christlichen Glaubens und hat Beckham-Poster an der Wand. Aber eine grosse Besonderheit gibt es halt doch: die Iban leben immer noch in Langhaeusern. Langhaeuser sind (Ueberraschung!) lange Haeuser, in denen bis zu 25 Familien oder mehr unter einem Dach leben. Dabei gehen von dem riesigen langen Gemeinschaftsraum (siehe Foto), in dem sich der groesste Teil des Alltagslebens abspielt, kleinere Wohnungen fuer die einzelnen Familien ab, in denen geschlafen und gekocht wird (und die Beckham-Poster haengen). Fuer die Touristen wurde gleich nebenan ein extra Gaestehaus gebaut, natuerlich in lang und mit vielen kleinen Boxen fuer die Matrazen und Moskitonetze. Nachdem wir zusammen mit unserem Guide Paul zum ersten Mal die sehr gewoehnungsbeduerftige Koenigin der asiatischen Fruechte - die Durian- direkt vom Baum probiert hatten (schmeckt wie Bratwurst mit Kartoffelpueree), wurden wir in den Langhausalltag eingefuehrt. Wir bekamen quasi eine Fuehrung, sahen unsere ersten Menschenschaedel, die immer noch zur Deko aufbewahrt werden und trafen den frueheren, charismatischen Chief der Gemeinde, der mittlerweile von seinem Sohn abgeloest wurde. Dieser hatte noch die traditionellen Tatoos an Kehle, Armen und Beinen (zeigt seinen Krieger-Status) und konnte uns sogar noch einen Dolch seines Grossvaters presentieren, der mit echtem Menschenhaar dekoriert ist - mit Rotem (was auf einen Europaeer hinweist...). Denn in jener Zeit schnitten die Iban noch die Koepfe ihrer besiegten Gegner ab, und hängten sie als Trophäe und Gluecksbringer vor ihre Eingangstuer. Nach dem Abendessen ging es dann zum touristischen Teil des Trips ueber, und einige der Stammesmitglieder fuehrten vor einer ganzen Horde -meist britischer Touris- den Willkommenstanz in traditonellen Iban-Kostümen, begleitet von rythmischer Trommelmusik auf. Dazu wurde grosszuegig selbstgebrannter Reiswein verteilt um die Meute in Stimmung zu bringen und dieser zu einem lauten gemeinsamen "Uhhhhhhhhhhhhhh, aaaaaaaaaaaaahhhh" genuesslich heruntergespült. Um den anschliessenden gemeinsamen Tanz der eher peinlichen britischen Gruppe mit den Iban drueckten wir uns lieber.... und blieben nach Ende der Veranstaltung einfach ein bisschen im Langhaus sitzen, als alle anderen schon herausgestuermt waren. Unser Glück! Schon bald kam Paul mit einer tollen Nachricht zu uns: wir seien vom ehemaligen Chief in seine Wohnung eingeladen wurden, um mit einigen Familienmitgliedern den ersten Geburtstag seines Urenkels zu feiern. Na prima, nix wie los. Als wir eintraten, war schon ein christlicher Gottesdienst im Gange, bei welchem ueberraschenderweise haargenau die gleichen Lieder gesungen wurden, wie in deutschen Gottesdiensten - bloss in malayischer Sprache. Selbst das "Vater Unser" konnten wir zu grosser Freude Aller mitsprechen. (An dieser Stelle danke an meine fruehere Pastorin Frau Lissner). Nach ca. 45 min Gottesdienst im Wohnzimmer, wurde dann die Torte angeschnitten und die Geschenke ueberreicht. Auch wir gaben, wieder mal zu grosser Freude Aller, hoeflich ein kleines Geldgeschenk und wurden sofort zum anschliessenden (zweiten, aber diesmal authentischen) Abendessen eingeladen, natuerlich im Gemeinschaftraum auf dem Boden sitzend. Froehlich und reichlich wurde traditionelles Essen aufgetragen, ueber Fisch-Satee und gebratene Reisnudeln bis hin zu heissem Kakao... äh, ja. Die Maenner sassen getrennt von den Frauen und Kindern und diskutierten heftig, bis die erste flasche Reisschnapps die Runde machte. Und die Zweite. Typisch malayisch gibt es pro Flasche ein Glas, aus dem jeder reihum trinkt. Irgendwie erreichten uns diese Glaeser besonders haeufig und bald lernten wir die gesamte Elite der Gemeinde kennen: Den amtierenden Chief, seinen Sohn, seinen Vater, den Priester und den Sharmanen (siehe Foto). Zu spaeterer Stunde verabschiedeten wir uns und fielen in unsere, wie Kathi sie so schoen beschrieb, Pferdeboxen, als um 23:30 der Strom ausging. Nach dem Fruehstueck am naechsten Morgen wurden wir noch ein bisschen im Wildlife-Ueberleben geschult. Wir lernten, welche Blaetter und Knollen aus dem Dschungel essbar sind, wie Kautschuk gewonnen wird, wie man verschiedengrosse Fallen fuer Tiere (oder Menschen!) baut und wie man mit der beruehmten Blowpipe (Blasrohr) umgeht, mit welchem die Iban aus 50 m Enfernung kleine Tiere erlegen koennen. Wir starteten erstmal mit 5 Metern und schon nach wenigen Versuchen trafen wir unsere erste Guave mitten ins Herz. Hah, erlegt! Ueberlebensfaehig im Dschungel! Nachdem wir uns noch eine kurze, unblutige Darbietung eines Hahnenkampfes ansehen durften, der seit Anfang des Jahres in Malaysia verboten ist, stiegen wir wieder in unsere Langschwanzboote, verliessen also das Langhaus, um uns auf den langen Weg Richtung Kuching zu begeben.


Ein Highlight gab es aber noch: das Semenggoh Nature Reserve mit seinem angeschlossenen Wildlife Rehabilitation Center fuer Orang Utans. Als aufmerksame Blogleser denkt ihr nun wahrscheinlich: hmm, sowas hat sie doch schon in Sabah besucht. Richtig! Aber diesmal hatten wir richtig viel Glueck. Nachdem die Masse an asiatischen Touristen die Futterstelle der Orang Utans verlassen hatte, an welcher nur ein einsamer Waldmensch in weiter Ferne aufgetaucht war, kam ein aufgeregter Ranger zu uns und dirigierte uns zu einer zweiten Futterstelle. Und da war er! Richie! Das dominante Maennchen des Waldes, 27 Jahre alt und fast 200 kg schwer, kuendigte sich durch furchteinfloessende Baumschuettel- und abbrechgeraeusche an, wie der T-Rex in Jurassic Park. Sein rotes Fell glaenzte durch die sattgruenen Blaetter und hungrig machte er sich ueber Bananen und Kokusnuesse her... nur ca. 5 Meter von uns entfernt. Ein Koloss mit beeindruckender Ruhe und dunkelbraunen Augen. Zusammen mit den Rangern gingen wir sogar bis auf 3 Meter an ihn heran und merkten kaum, dass auch noch eine junge Orang Utan Mutter samt Nachwuchs auftauchte. Voellig beeindruckt blieben wir lange Zeit und machten viele Fotos... bis die Ranger nach Hause wollten.

Voellig unglauebig war auch Paul: "Girls, you're so lucky. First celebrating with the Iban and now Richie shows up. Unbelievable." Das fanden wir auch.

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