Wednesday, May 24, 2006

Mein Dschungelbuch



Vor ca. 4 Wochen trafen wir Adam am Inle See und sofort am ersten Tag erzaehlte er uns von der "Gibbon Experience", einem Oekoprojekt im laotischen Dschungel, bei dem man auf Baumhaeusern lebt uns sich mit Hilfe von Drahtseilen ueber den Dschungel fortbewegt. Damals war Kathi sofort begeistert und ich veraengstigt. Man erinnere sich bitte an meine Hoehenangst (Nech, Moni).... Noch vor nicht allzu langer Zeit waren Bruecken, Tuerme, Treppen usw. fuer mich ein Graus. Da wir ein paar Wochen mit Adam reisen wuerden, kam das Gespraech immer wieder auf die Gibbon Experience und ein paar Tage vorher lenkte ich ein. Also buchten wir zu viert 3 Tage im Dschungel.

Morgens um neun,nach einem leckeren Baguette-Fruehstueck, ging es auf der Tragflaeche eines altersschwachen Pickups mit 5 weitern Leuten los. Schon bald kamen wir auf eine breite Schotterpiste, die grade in den immens wichtigen Highway von China nach Thailand verwandelt wird, was auch wirklich noetig ist. Nach 2 Stunden Ruckelei und viel rotem Staub im Gesicht, hielten wir fuer eine kurze Pause an, um dann noch ca. 1 Stunde Richtung Dschungel Projekt, ins Bokeo Nature Reserve zu fahren. Schon nach 5 Minuten (nachdem wir grade durch einen Fluss gefahren waren) konnte unser kleiner Pickup die grosse Steigung der Piste nicht mehr bewaeltigen und wir mussten ihn -fast in Abgasen verschwindend- anschieben und anschliessend 15 min. lang den Berg steil hinauf laufen. Nach einer weiteren Anschiebaktion kamen wir dann im recht entlegenen Dorf im Bokeo Nature Reserve nahe des Projekts an. Das Dorf bestand aus einigen Bambushuetten und Staellen, und obwohl hier oefter mal Touristen durchkommen, wurden wir gleich neugierig beaeugt. Viele Frauen trugen traditionelle Kleidung und wie so oft im wirklich recht arm wirkenden laendlichen Laos, liefen viele Kinder ganz nackt oder ohne Hose durch den Matsch. Schweine, Huehner und Truthaehne liefen frei zwischen den Bambushuetten umher. Die Maenner sassen zusammen und spielten Karten. Um nun noch weiter in den Dschungel vordringen zu koennen, mussten wir zu Fuss gehen, oder eigentlich eher wandern und klettern. Insgesamt galt es 3 Fluesse auf nicht vertrauenswuerdig wirkenden Bruecken zu ueberqueren, und schon gleich bei der Zweiten rutschte ich mit Schwung von den Steinen und knallte schoen ins Wasser, brrr. Kathi unterlag diesem Schicksal bei der dritten Bruecke... und schon hatten wir beide voellig nasse Schuhe und Hosen. Wenigstens begann darauf hin unser Guide uns ein bisschen zu helften, so dass die meisten Anderen trocken blieben. Nach einer kurzen Staerkung begann das Trekking durch den dichten, tiefgruenen Dschungel Richtung Baumhaus. Ein erstes Dschungelfeeling kam auf, als direkt vor Kathi eine ueber 1 Meter lange blau-gruen-glaenzende Schlange den Pfad ueberquerte, ganz schoen knapp. Mir war schon ganz schlecht vor Aufregung, denn ich wusste, was uns am Ende der Wanderung bevorstehen wuerde: der "Aufstieg" zu unserem sich in 30 Meter Hoehe befindlichen Baumhaus... per Kletterguertel und Zipline. Die Zipline ist ein langes Drahtseil, die zwischen den Baumhaeusern und anderen Teilen des Dschungels gespannt ist. Auf diesem Netzwerk von Lines bewegt man sich weiter, in dem man sich wagemutig vom Baum oder von der Station stuerzt und man so mit den Rollen, die ueber ein Kletterseil an dem Guertel befestigt sind, an den Lines haengend, zum naechsten Baum braust. (Schwer vorzustellen, deswegen genau auf die Bilder sehen.) Tja, und da standen wir nun: weiche Knie, Kletterguertel um die Huefte, Sicherheitsleine in der Hand. Uns trennten ca. 50 Meter Line von dem vorerst sicheren Baumhaus in 30 Meter Hoehe...aaaaaah! Nach kurzer Erklaerung und Sicherheitcheck von unserem Guide musste es losgehen. Bei allen ersteinmal mit einem grossen Schrei, sobald sie sich auf der Line befanden. Scheisse, ist das tief...und schnell und haelt das Seil auch wirklich? ... sichere Landung im Baumhaus und erstmal Teepause. Vom Baumhaus aus bot sich uns ein wunderschoener Blick auf den Dschungel, da der Baum etwas erhoeht stand. Endlose Baumkronen in tiefgruenen Farbtoenen. Eine ganz eigene und beeindruckende Geraeuschkulisse verschiedener Tierlaute und Schreie empfing uns. Rundrum kein Mensch, nur wir, die Gibbons, die Guides und die Koeche, eine Zipline weit vom Baumhaus entfernt. Bald darauf ging es auf Erkundungstour ueber insgesamt 8 oder 9 Lines zum zweiten Baumhaus, damit wir alles schon einmal gesehen und die Lines mit dem Guide gemeistert hatten. Die Lines haben alle ganz unterschiedliche Laengen und Hoehen, die Groesste und Schnellste ist ca. 300 Meter lang und ueber 100 Meter hoch... ein irres und eigenartiges Gefuehl, nur an einem Seil zu baumeln und so weit unter seinen Fuessen nichts zu haben, ausser irgendwo ein paar Baumkronen. Das Schlimmste war immer, wenn man etwas zu wenig Schwung hatte, denn dann musste man sich unter grosser Kraftanstrengung selbst auf die naechste Station ziehen, indem man sich am Seil entlang hangelte... und das in dieser Hoehe, meist so 30 bis 40 Meter bis zum Boden. Zurueck in unserem Treehouse 1 freuten wir uns schon sehr aufs laotische Abendessen: Reis und Gemuese. Das wuerde es ab jetzt 3 mal taeglich fuer die gesamte Zeit zu essen geben, aber Kathi und Ich hatten natuerlich vorgesorgt und genuegend Chips und lebensnotwendige Schokolade in unseren Rucksaecken mitgebracht. Auch sehr zur Freude unserer Mitzipliner. Das Essen wird uebrigens in kleinen silbernen Behaeltern von den Koechen ueber die Zipline ins Baumhaus gebracht. Dadurch ergab sich jedes Mal ein geniales Fotomotiv, wenn die teils aelteren Damen mit ihren Roecken und Kletterguertel auf dem Weg zum Baumhaus waren (Siehe Bild). Das erste Mal Reis und Gemuese war aber sehr gut. Die Essensreste werden anschliessend einfach elegant ueber das Gelaender geworfen. Im Treehouse 1 gibt es sogar fliessend Wasser aus einer nahegelegenen Quelle und eine Dusche. Das Wasser ist wohl das Einzige in ganz Laos, das man so aus dem Hahn trinken kann... lecker. Das Badezimmer ist eine interessante Geschichte: Zum Duschen stellt man sich auf einen Holzrost, durch dessen 2 Quadratzentimeter grosse Loecher man direkt bis auf den Dschungelboden sehen kann. Das gleiche Bild ergibt sich bei der Toilette... Scheisse im freien Fall. Zur Beseitigung dieser und anderer Art Muell werden unter dem Baumhaus 2 Schweine gehalten, die sich grunzend auf alle hinuntergeworfenen Reste stuerzen... alles Oeko. Da es natuerlich keine Elektrizitaet gibt und es schon um 19 Uhr dunkel wird, hatten wir einen riesigen Kerzenverbrauch am ersten Abend. Bevor wir dann ziemlich fertig einschliefen, lauschten wir noch ein bisschen der unglaublichen Geraeuschkulisse. Rund um das Treehouse 1 leben 3 Familien von Gibbonaffen, die meist am fruehen Morgen in wunderschoenen und ganz speziellen Lauten Lieder singen. An den Liedern erkennt man Geschlecht und Status der Affen innerhalb der Familie. In der ersten Nacht hatten wir dann auch gleich Besuch von irgendeinem groesseren Dschungelgetier, denn am naechsten Morgen waren einige Fruechte angenagt oder verschwunden, sowie auch Georges' Hose angenagt. Bloed, dass es seine Einzige war... Naja, so ist das Dschungelleben halt. Nach einem fruehmorgendlichen Obstfruehstueck hatten wir uns mit einem Guide verabredet und begannen eine anstrengende Trekkingtour ueber die umliegenden Huegel und erreichten nach ca. 1 Stunde das Treehouse 2. Leider sahen wir keine Gibbons und auch sonst keine Tiere, kassierten aber Bienen- und Wespenstiche entlang des Weges. Es gab aber auch ein paar schone Schmetterlinge und Insekten und vor allem riesigen Bambus und Baeume in allen Variationen. Den Tag verbrachten wir dann alle irgendwo zwischen Trekking, jeder Menge Lines und Baumhauspausen, bevor wir uns am spaeten Nachmittag noch zum Treehouse 3 aufmachten. Leider sah niemand von uns die aufziehenden Wolken, denn kurz nach Verlassen des entlegenen Baumhauses fing es richtig an zu schuetten.... und wir befanden uns mitten im Dschungel, mindestens 5 Lines von unserm Baumhaus entfernt, was tun? Regen im Regenwald... Nach einiger Diskussion im stroemenden Regen waren wir sowieso schon gut durchnaesst und das Argument Dunkelheit und Dauerregen zusammen seinen noch gefaehrlicher als nur Regen, veranlasste uns dann, uns ueber die Lines zu trauen. Man konnte vor lauter Wasser kaum die Augen oeffnen und der aufkommende Wind peitschte einem ins Gesicht. Durch den Regen wurden die Seile noch schneller und man musste bremsen oder knallte schwungvoll auf die Plattformen. Die Rollen sprizten bei der Geschwindigkeit auch gleich unsere Gesichter und Kleidung voll mit Dreckwasser, fast sahen wir aus wie Krieger. Die kleinen Wanderpfade hatten sich in matschige Rutschbahnen verwandelt und so schlitterten wir Richtung Baumhaus, hielten uns meist bei jedem Schritt an nahen Bambusbaeumen fest. Voellig fertig und so nass wie selten zuvor in unserem Leben erreichten wir das Baumhaus...puhhh. Unsere Mitbewohner aus Holland und Kanada machten uns erstmal einen heissen Tee, sie hatten sich schon Sorgen gemacht. Kathi hatte sich im Laufe des Tages und auch schon am Vortag lustige Stirnverletzungen (eine linkes, eine rechts) zugezogen, als sie irgendwie probiert haben muss, mit ihrer Stirn am Seil zu bremsen...autsch (siehe Bild). Aber das war einigen Anderen Mitziplinern auch passiert. Danach hatten wir Glueck, denn mit der Dunkelheit legte sich irgendwan der Regen und der Sturm und wir mussten nicht, wie befuerchtet, in Notunterkuenfte am Boden ausweichen. Am Abend kamen dann 2 der Voluntaere zu uns ins Baumhaus und bei laotischem Whiskey erfuhren wir jede Menge ueber das Naturschutzprojekt und seinen franzoesischen Gruender. Das Projekt hat das Ziel irgendwann vollstaendig an die Laoten uebergeben zu werden, so das je ein umliegendes Dorf fuer ein Baumhaus zustaendig ist. Die 16 Guides kommen alle aus umliegenden Doerfern und es sind noch ca. 20 Forestranger angestellt, die das Naturschutzgebiet vor Wilderern und Tropenholzraeubern schuetzen. Es gibt ausserdem einige Koeche und 4 Voluntaere, die den Laoten z.B. Englisch beibringen oder ein GPS-System installieren. Ausserdem werden Dorfbewohner angehalten Gemuese und Reis anzubauen, denn es wird bevorzugt aus den umliegenden Doerfern eingekauft. Unter den Forestrangern sind interessanterweise sogar ehemalige Wilderer, die von Projekthelfern sinnvollerweise ueberzeugt werden konnten, die Seite zu wechseln. Das Bokeo Nature Reserve kann so also geschuetzt werden, weil es Alternativen fuer Dorfbewohner bietet und durch die Baumhaeuser genuegend Geld in die Doerfer fliesst.
Am letzten Tag standen wir wieder frueh um 6 Uhr morgens in beeindruckender morgendlicher Geraeuschkulisse auf und gingen noch einmal auf die Lines und durch den Wald, bevor wir gegen 11 Uhr den Rueckmarsch durch den rutschigen Regenwald antraten. Vorher spielten wir aber noch mit dem halbwilden Affen und dem 4 Monate alten Baeren, die in der Naehe der Kueche gehalten werden. Der Affe ist wirklich sehr zutraulich und durchsuchte ersteinmal meine Haare und Augenbrauen, und es machte ihr riesigen Spass mit ihren winzigen Fingern an meinen Armhaaren zu zupfen. Am Tag zuvor hatte sie aufgeregt das gleiche getan und war dann seelenruhig auf meinem Arm eingeschlafen. Im Dorf warteten wir noch bis unser Pickup kam, und nach einer weiteren Anschiebeaktion und einer Mittagspause erreichten wir nach ueber 3 Stunden wieder die Zivilisation. Innerhalb von 1 Minute gings ins Restaurant und wie ausgehungert verschlangen wir alle ein Thunfischsandwich und Pommes (wahrscheinlich koennt ihr euch das genau vorstellen).... und schmunzelten ueber unser Baumhausleben.



(Das bin ich an einer der laengeren Lines)

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